"Eine Ausbildungsgarantie nach österreichischem Vorbild verkennt die Realität auf dem deutschen Arbeitsmarkt", erklärt Carl-Christian Goll, Geschäftsführer Berufsbildung der Handwerkskammer OWL.
HWK OWL
"Eine Ausbildungsgarantie nach österreichischem Vorbild verkennt die Realität auf dem deutschen Arbeitsmarkt", erklärt Carl-Christian Goll, Geschäftsführer Berufsbildung der Handwerkskammer OWL.

Ausbildungsgarantie geht am Ziel vorbei

06.05.2022 

Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung macht sich mehr als die Hälfte der Jugendlichen in Deutschland Sorgen um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Besonders Jugendliche mit niedrigen Bildungsabschlüssen blickten demnach pessimistisch auf ihre berufliche Zukunft. Abhilfe erhofft man sich durch eine Ausbildungsgarantie nach österreichischem Vorbild.   

Diese Idee geht aus Sicht des Handwerks leider völlig am Ziel vorbei. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Ausbildungsmarkt grundlegend geändert. Heute sind mehr als genügend freie Ausbildungsplätze vorhanden. Aktuell sind allein in OWL noch etwa 3.000 Ausbildungsstellen unbesetzt. „Das Handwerk bietet auch in diesen wirtschaftlich herausfordernden Zeiten beste berufliche Perspektiven. Statt einer Ausbildungsgarantie sollten daher alle Kräfte gebündelt werden, um die durch Handwerksbetriebe bereitgestellten Ausbildungsangebote mit Bewerberinnen und Bewerbern zusammenzubringen“, betont Carl-Christian Goll, Geschäftsführer Berufsbildung der Handwerkskammer OWL zu Bielefeld.

Eine Ausbildungsgarantie nach österreichischem Vorbild verkenne nicht nur die Realität auf dem deutschen Ausbildungsmarkt, sondern stelle auch unzulässige Vergleiche an. „Ein Vergleich mit dem österreichischen Ausbildungssystem ist kaum möglich, da die Bildungs- und Fördersysteme der beiden Länder zu unterschiedlich sind“, ergänzt Goll. In Deutschland gebe es zahlreiche Programme und Instrumente, die im Falle eines Falles dafür Sorge tragen, dass auch unversorgten Jugendlichen eine berufliche Perspektive aufgezeigt werde. Hier leisten die von der Bundesagentur für Arbeit entwickelten berufsvorbereitenden Initiativen wie das Einstiegsqualifizierungsjahr und die außerbetriebliche Berufsausbildung (BaE) bereits gute Arbeit.

Eine darüberhinausgehende Ausbildungsgarantie ist aus zweierlei Gründen gefährlich. So ist es schlichtweg sinnlos, Betriebe, die schon ihre bereitgestellten Ausbildungsplätze nicht besetzen können, mit staatlichen Mitteln dazu zu zwingen, zusätzlich noch weitere Ausbildungskapazitäten zu schaffen.

Eine Ausbildungsgarantie nach österreichischem Vorbild torpediert außerdem offen das in der ganzen Welt geschätzte duale Ausbildungssystem, denn es lenkt potentielle Auszubildende weg von der so wichtigen betrieblichen Lebenswirklichkeit. „Das duale System setzt weltweit Qualitätsmaßstäbe und ist ein Markenzeichen für herausragendes Können. Daher sollte dringend vermieden werden, dieses Erfolgsmodell durch regulatorische Maßnahmen des Staates in Frage zu stellen“, so Goll. Viel wichtiger wäre es in der aktuellen Situation, die berufliche Orientierung in Richtung einer dualen Berufsausbildung zu stärken.